Die Bedeutung der Arbeit in der Fröbelschen Pädagogik

"Durch Fleiß und Arbeitsamkeit, durch Wirken und Tun, welches der lichte Gedanke oder auch nur die leiseste Ahnung, ja nur das unmittelbare lebendige Gefühl begleitet, daß wir dadurch Innerliches äußerlich darstellen, Geistigem Körper, Gedachtem Gestalt, Unsichtbarem Sichtbarkeit, Ewigem, im Geiste Lebenden äußerliches, endliches und vergängliches Dasein geben:...1)

Für Fröbel war Arbeit ein Mittel zur Vervollkommnung des Wesens des Menschen durch Erkenntnis. Einen materiellen Charakter der Arbeit zur Erhaltung der Existenz des Menschen sah er erst in zweiter Linie. Fröbels Betrachtungsweise orientierte sich auch mehr an der Pädagogik, an der Vorbereitung auf das Leben, auf das Arbeitsleben als an sozialökonomischen Begutachtungen. Für ihn war es wichtiger, den Vorgang am und im Menschen zu beobachten und den Einfluss der Tätigkeit zu bewerten. Er wollte sein Tätigkeitskonzept stets ganzheitlich betrachtet wissen. Der Mensch besteht aus Körper und Geist, und beides gehört im Tätigsein zusammen, ergänzt sich.

". . . , geistiges Beschäftigtsein und dazwischentretende äußere, mehr körperliche Beschäftigung, Tätigkeit für äußeres hervorbringendes Werk und Erzeugnis stärkt nicht nur allein den Körper, sondern ganz überwiegend auch den Geist, die verschiedenen Richtungen der Geistestätigkeit, . . ." 2)

In seiner Keilhauer Erziehungsanstalt verband Fröbel Unterrichts- und Arbeitstätigkeit miteinander, und zwar differenziert nach alterstypischen Handlungsvermögen der Kinder und Jugendlichen. Dieser Gedanke war nicht nur aus den Beobachtungen an der Pestalozzischen Anstalt heraus entstanden, sondern hatte auch einen Selbstzweck, die Bewirtschaftung der zur Erziehungsanstalt gehörenden Landwirtschaft und die Erarbeitung des Unterhaltes der Zöglinge. Die erarbeiteten Werte wurden mit dem Erziehungsgeld, das die Eltern an die Einrichtung entrichten mussten, verrechnet.

"Gegenstand der Arbeit und äußeren Thätigkeit ist alles, was das Leben und besonders das Landleben einem großen Familienkreise darreicht: das Feld, der Garten, der Wald . . . wie auch das Haus mit seinen Bedürfnissen, der Handarbeit. . . . Die Ausbildung des Körpers selbst als Werkzeug des Geistes werden damit in vorbildenden Zusammenhang gebracht, nicht minder das freie Spiel. . . . So soll Arbeit, Unterricht und Spiel ein ungestücktes Lebensganzes und . . .Grund eines künftig ungeteilten, tatkräftigen, einsichtigen und freudigen Lebens werden." 3)

Somit bekommt das Spiel eine ethisch - moralische Komponente für die Ausbildung der Arbeitstätigkeit. Fröbel machte schon auf der Kindstufe darauf aufmerksam, daß die Kinder Tätigkeiten der Erwachsenen nachahmen. Er beschrieb, daß Kinder Spielzeug nicht absichtlich zerstören. Sie zerlegen es, um hinter die Fassade zu schauen, das Innenleben zu erkennen. Ein wichtiger Vorgang für das Verständnis später ablaufender Erkenntnisprozesse über Funktionsweisen auch im Arbeitsprozess. Jede Sache hat ein Innenleben, das diese befähigt zu funktionieren. Kinder, die diesen "Forscherdrang", dieses Neugierverhaltens befriedigen konnten, werden sich besser in die Vorgänge des Lebens und der Arbeit einfühlen können. Betrachtet man die dritte Spielgabe, den mehrfach geteilten Würfel und seinen Gebrauch auf der Kindstufe, dann erfüllt er den Zweck des Erzeugens des Gefühls für die Zerlegbarkeit der Dinge.

Fröbel ging stets vom Guten und Reinen aus und stellte so auch das Leben der Familie dar. In dieser Güte und Reinheit werden die Eltern, die Erwachsenen überhaupt, zum Vorbild für ihre Kinder, die diese versuchen nachzuleben.

"In der Familie sieht es aber die Eltern, die Glieder, und sieht die Erwachsenen im Leben und in den Verhältnissen, die seine Familie berührt, schaffen, wirken, tun, arbeiten; und so möchte nun auch das Kind auf dieser Stufe, was es sieht, selbst darstellen." 4)

Fröbel sah den Ursprung aller Arbeitsamkeit nicht nur in der Natur des Menschen wurzelnd, sondern auch aus dem Verhalten der sozialen Umgebung heraus resultierend. Nach Fröbels Sphäretheorie ordnet sich das Einzelne, der Mensch bzw. das Kind oder der Knabe, als ein Teil in das Ganze, die Familie, die Kinder- oder Freizeitgruppe oder die Gesellschaft ein und wird die, in dieser Gemeinschaft herrschenden, Normen annehmen. Die Sphäretheorie wäre also als ein früher ökologischer Ansatz zu verstehen. Fröbel sah in seiner oft schwärmerischen Umschreibung den Menschen, den Knaben schon damals als biopsychosoziale Einheit.

"Die Außenwelt tritt den Menschen auf der Knabenstufe mit dem zweifachen Ausdruck entgegen; einmal bedingt und hervorgegangen durch Menschenforderung, Menschenkraft nach dem Willen und der Vorschrift des Menschen, oder aber bedingt und hervorgegangen nach der Forderung der in der Natur wirkenden Kraft." 5)

Mit dieser Konstitution, Menschenkraft und Forderung der Natur, wächst das Kind in der Gemeinschaft erst der Familie, später der Kindergruppe auf und wird sich durch das Modellernen deren Normen annehmen, auch die inadäquaten. Wie oben schon beschrieben, ging Fröbel stets vom Guten, vom positiven Willen im Menschen aus, der aber durch das Unverständnis oder Inaktivität der ihn umgebenden sozialen Umwelt gebrochen wird und die Lern- und Arbeitsmotivation beeinträchtigt.

"Der Knabe, das Mädchen werden so in ihrer innern Tätigkeit gestört, sie sehen sich aus dem Ganzen, mit welchem sie sich so innig eins fühlten, herausgesetzt, ihre innere ganze Kraft ist aufgeregt, sie sehen sich allein, wissen mit der erregten Kraft nichts anzufangen, ja sie selbst wird ihnen lästig, drückend, sie werden verdrossen, träge." 6)

Bei wiederholtem Auftreten dieser "Zurückweisung von den Eltern" oder Ablehnung durch andere wird sich das Kind mehr und mehr zurückziehen. Der Tätigkeitstrieb kommt aus dem Menschen selbst, aus "dem Wesen des in ihm noch unbewusst, unerkannt wirkenden Geistigen gemäß, ohne all sein Zutun, . . .". Der Mensch hat den Willen zum Tätigsein. Wird dieser in seiner Entfaltung behindert, wählt dieser später "das seiner Natur Bequemere".

Ein wichtiges Moment in der Tätigkeit des Kindes sah Fröbel in der Anregung des Geistes durch körperliches Tätigsein, auch durch körperliche Turnübungen.

"Überdies fordert auch der Körper, oder, was man ebenso gut sagen kann, der Geist nach einer angestrengten Geistestätigkeit, einer streng geordneten, anstrengenden Körpertätigkeit, und diese so geordnete strenge Körpertätigkeit wirkt wieder stärkend auf den Geist zurück, nur also, wo Körper- und Geistestätigkeit in geordneter lebendiger Wechselverbindung steht, ist wahrhaftes Leben."7)

Über die körperliche Betätigung bietet sich die Möglichkeit an, "eine große Menge sogenannter Ungezogen-, Roheiten und Unanständigkeiten" zu kompensieren. Mit anderen Worten: ein Untätigsein führt zu Leerlauf- und Ersatzhandlungen. Denn das Kind will tätig sein. Das ist phylogenetisch verankert.

Die körperliche Tätigkeit trägt nach Fröbel notwendig zur Willensausformung bei und umgekehrt. Anfänglich ist zwar Wille vorhanden, "beherrscht (aber - W.A.) noch nicht in jedem Augenblicke den Körper". Körperliches und geistiges Leistungsvermögen müssen sich gegenseitig entwickeln. Fröbel stellte diesen Vorgang am Beispiel des Spielens eines Musikinstrumentes dar. Der Wille ist zwar vorhanden, jedoch sind die körperlichen Reaktionen noch nicht vollkommen ausgebildet.

Fröbels Vorstellungen zur Erziehung und Bildung über die Tätigkeit haben stets den Hintergedanken, das Gefühl oder das Gemüt der Kinder anzusprechen, das Wissen um die Dinge und deren Zusammenhänge und Gesetze stellt sich dann mehr zwangsläufig als Nebenprodukt ein. Das Lernen erfolgt über die Arbeit. Dem Schulkind wird bewusst, daß es durch sein Tun Veränderungen in der Natur hervorrufen kann. Fröbel lässt deshalb in Gärten und in der zur Erziehungsanstalt gehörenden Landwirtschaft arbeiten, um den Kindern vor Augen zu führen, daß Tätigkeit auch ein verwertbares Ergebnis hervorbringen kann. Diese Tätigkeit sollte aber so organisiert werden, daß das Kind seinen eigenen Arbeitsgegenstand pflegt, es wachsen sieht und das Produkt seiner Arbeit erkennt. Mit der Pflege "äußeren Lebens", der Natur lernt das Kind auch sein eigenes späteres Leben pflegen. Damit wird das Kind auf dieser Altersstufe spielerisch schon mit dem Charakter der Arbeit bekannt gemacht. Spielerisch deshalb, weil nicht der Zwang zum Ergebnis als Ziel steht, sondern doch mehr das Probieren, das Spielen mit dem Naturvorgang.

". . . lehrend lernen wir".8) Dieser Gedanke Fröbels birgt nicht nur eine fachspezifische Komponente, sondern auch eine soziale. Einmal festigte der so genannte lehrende Zögling in der "Allgemeinen Deutschen Erziehungsanstalt" sein eigenes Wissen und zum anderen unterstützte er langsam lernende oder jüngere beim Lernen. 9)

Zitiert aus:

1) Fr. Fröbel: Die Menschenerziehung, Keilhau 1826, in: Friedrich Fröbel, "Kommt laßt uns un sern Kindern leben!", Bd. II, Hrg. K.- H. Günther u. H.König, Berlin 1982, S. 30

2) Fr. Fröbel: Die Menschenerziehung, Keilhau 1826, in: Friedrich Fröbel, "Kommt laßt uns unsern Kindern leben!", Bd. II, Hrg. K.- H. Günther u. H.König, Berlin 1982, S. 30

3) Fr. Fröbel: An das deutsche Publikum, Keilhau 1829, in: "Aus Fröbel's Leben und erstem Streben", Hrg. Dr. Wichard Lange. Berlin 1862, S. 403

4) Fr. Fröbel: Die Menschenerziehung, Keilhau 1826, in: Friedrich Fröbel, "Kommt laßt uns unsern Kindern leben!"Bd. II, Hrg. K.- H. Günther u. H.König, Volk und Wissen Verlag Berlin 1982, S. 61

5) ebd. S. 81 m 6) ebd. S. 61 7) ebd. S. 155

8) Fr. Fröbel:"Grundsätze, Zweck und inneres Leben der allgemeinen Erziehungsanstalt", in: Fr. Fröbel, Kommt, Laßt uns unsern Kindern leben!, Bd. I, S. 207

9) siehe in diesem Band 2. 2. Friedrich Fröbel als Schulmann



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